Detaillierte Version der Kirchengeschichte (5)
Die beiden Kirchen im Zeichen der Ökumene
Bereits in der Nachkriegszeit fanden alljährlich Gebetstage zur Wiedervereinigung der beiden Konfessionen statt. Pfarrer Walter Uhlemayr verkündete 1953 die in der katholischen Kirche herrschende Ansicht von der Wiedervereinigung der Kirchen von der Kanzel: Seit Jahren betet die kath. Christenheit zusammen mit vielen Andersgläubigen in den Tagen zwischen dem Fest Petri Stuhlfeier (heute!) u. dem Fest Pauli Bekehrung (am nächsten Sonntag) um die Wiedervereinigung aller im Glauben getrennten Christen. Die "eine, heilige, katholische und apostolische Kirche" ist das große Ziel und die große Aufgabe! Nach Anordnung des Hochwürdigsten Erzbischöflichen Ordinariates wird in dieser Zeit täglich das Gebet um die Wiedervereinigung im Glauben verrichtet werden und am nächsten Sonntag die Predigt dieses bedeutsame Anliegen behandeln. Papst Johannes XXIII. gab der katholischen Kirche den wegweisenden Anstoß. Er eröffnete im Jahre 1962 das II. Vatikanische Konzil in Rom, wo die Fragen der Wiedervereinigung der Christenheit sehr ausführlich behandelt wurden. Als das II. Vaticanum 1965 abgeschlossen war, war der Ökumenismus virulenter Bestandteil der katholischen Kirche geworden. Hatte die Katholische Kirche, wie Pfarrer Uhlemayr auch, vor dem II. Vaticanum unter Wiedervereinigung der Christen ausschließlich eine Rückkehr der anderen Konfessionen in den Schoß der Mutter Kirche verstanden, so formulierte man jetzt das Ziel: Einheit in versöhnter Verschiedenheit.
In Weisendorf fing dieses neue Denken in ökumenischen Kategorien bei den Katholiken allerdings erst 1969 mit dem Dienstantritt von Pfarrer Armin Maidhof an. Auch in der evangelischen Kirche wuchs schon in den 1950er Jahren der Wunsch nach Wiedervereinigung aller Christen beständig. Man betete ebenfalls um die Wiedervereinigung aller Christen. Am 18. Mai 1969 verkündete der drei Jahre zuvor nach Weisendorf gekommene Pfarrer Jochen von Stackelberg von der Kanzel der evangelischen Pfarrkirche: In der katholischen Gemeinde Weisendorf wird heute Pfarrer Armin Maidhof als neuer Ortsgeistlicher eingeführt. Wir wollen den Herrn der ganzen Kirche um seinen Segen und Beistand für die katholische Gemeinde und ihren Seelsorger bitten. Das waren gänzlich neue Töne, die da erklangen. Wir können ab jetzt von einem wahrhaft ökumenischen Geist in Weisendorf sprechen. Wann hätte früher einmal ein evangelischer Geistlicher von der Kanzel herunter evangelische Christen auf die Einführung eines neuen katholischen Priesters aufmerksam gemacht? Bereits am 29. Juni verkündete der evangelische Geistliche: Das katholische Pfarramt führt in dieser Woche eine Sammlungsaktion zugunsten des Biafra-Kinderdorfes in Libreville durch; unter anderem werden Sammlungsbüchsen in den Geschäften aufgestellt. Diese Aktion wird auch unsern evangelischen Gemeindegliedern wärmstens empfohlen. Deutlich ist der neue Geist zwischen den Konfessionen zu spüren. Noch vor wenigen Jahrzehnten hatte man eine solche Empfehlung tunlichst vermieden. Im Laufe des Jahres wurde auf Anregung Maidhofs noch ein ökumenischer Jugendtag von beiden Konfessionen Weisendorfs gemeinsam besucht und die Kollekte des 3. Adventsonntags diente ökumenischen Aufgaben. Die erste Wahl zum Pfarrgemeinderat der Katholiken Weisendorfs fand am 26. Oktober 1969 statt, in ihm wurde der Arbeitskreis I.5. Ökumenische Aufgaben gegründet. Beauftragter dafür wurde Peter Gumbmann aus Buch. Der erste Ökumenische Gottesdienst sollte am 18.1.1970, 14.00 Uhr stattfinden. Pfarrer Maidhof schlug vor, gemeinsam mit dem evangelischen Pfarrer Lieder für den Ökumenischen Gottesdienst auszuwählen. Weiterhin war er der Meinung, es sollten öfter solche Gottesdienste stattfinden. Die Kollekte müsse natürlich geteilt werden. Außerdem wurde ein gemeinsamer Gebetsgottesdienst in der Schule vorgeschlagen. Alle diese Vorschläge fanden beim evangelischen Pfarrer Jochen von Stackelberg bereitwilligste Zustimmung. Am 11. Januar 1970 konnte er verkünden: Heute in einer Woche darf ich zum 1.Mal seit der Reformationszeit einen Gottesdienst ankündigen, zu dem beide Pfarrämter und Gemeindevertretungen einladen: Gebetsgottesdienst um die Einheit der Christen in der Katholischen Kirche. In der Woche, voraussichtlich am Freitagabend, findet ein Gemeinsamer Gebetsgottesdienst in der evangelischen Kirche statt. Am 18. Januar 1970 fand dann in der Tat der angekündigte ökumenische Gebetsgottesdienst um die Einheit der Christen in der katholischen Kirche statt, der am darauf folgenden Sonntag in der evangelischen Kirche wiederholt wurde. Bis Jahresende 1970 wurden noch insgesamt vier Gottesdienste ökumenisch abgehalten, teils in der katholischen Kirche, teils in der evangelischen Kirche, teils mit Benutzung der evangelischen Gesangbücher, teils mit katholischen. Die Opfergaben wurden auf gemeinsam vereinbarte Empfänger beider Konfessionen aufgeteilt. Diese gemeinsamen Gottesdienste setzten sich in gleicher Weise im Jahre 1971 fort. Am 25. September 1971 wurde in der katholischen Kirche zum ersten Mal eine konfessionsverschiedene Ehe unter Mitwirkung des evangelischen Geistlichen geschlossen. Diese neuartige Gemeinsamkeit der beiden Geistlichen erregte die Gemeinden doch sehr. Viele Gläubige beider Konfessionen nahmen heftig Anstoß daran. Deshalb fand am Freitag, den 1. Oktober 1971, abends um 20 Uhr ein Vortrag mit dem Thema: Wenn Eva bzw. Adam aber katholisch ist? Ausspracheabend über konfessionsverschiedene Ehe! Eingeladen waren junge Leute vor der Ehe, konfessionsverschiedene Ehepaare, Eltern, Interessierte aller Art – und insbesondere diejenigen, die sich über die Trauung in der katholischen Kirche unter Mitwirkung des evangelischen Geistlichen geärgert hatten, sie ablehnten oder nicht verstehen konnten. Pfarrer von Stackelberg meinte: Es wäre besser, sich auszusprechen und Gründe darzulegen, zu bedenken, anzuhören, als nur darüber zu schimpfen. Aus diesen Äußerungen erkennt man, dass der ökumenische Gedanke zunächst von den Gläubigen beider Konfessionen nur sehr zögerlich angenommen wurde, eine ökumenische Trauung unter Mitwirkung beider Geistlicher erschien jedenfalls noch so ungewohnt, dass sie erheblichen Unwillen bei den Weisendorfer Christen hervorrief. Doch die beiden Geistlichen, Maidhof und von Stackelberg, ließen mit ihren ökumenischen Anstrengungen nicht nach. Pfarrer Maidhof verließ 1972 Weisendorf. Er hatte den Zölibat gebrochen und geheiratet und wurde von da an als Religionslehrer wohl außerhalb der Erzdiözese Bamberg eingesetzt. Mit dem Abgang von Pfarrer Maidhof brach die ökumenische Arbeit in Weisendorf regelrecht zusammen. Der neue katholische Pfarrer Adolf Keseberg trat sein Amt am 18. November 1972 in Weisendorf an. Er kam aus der Großstadt Nürnberg, wo er an der Städtischen Berufsschule Religionslehrer gewesen war und es bis zum Studiendirektor gebracht hatte. Er war ein Mann von altem Schrot und Korn, also äußerst konservativ und im guten Sinne erzkatholisch. Seine Ansichten waren von der Weimarer Zeit geprägt. Ihm lagen ökumenische Anschauungen äußerst fern, denn er verstand unter Wiedervereinigung der Kirchen einzig die Rückkehr der Andersgläubigen in den Schoß der römischen Kirche. Er war kein Intellektueller, sondern mehr der Typus des gestandenen Landpfarrers und passte deswegen sehr gut in seine Pfarrei Weisendorf, aber überhaupt nicht zum evangelischen Pfarrer von Stackelberg. Deshalb ließen beide zunächst das ökumenische Feld brach liegen. Es fanden nur noch die vorgeschriebenen alljährlichen ökumenischen Gottesdienste jeweils um den 18. Januar und die ökumenischen Opfersammlungen in den beiden Kirchen statt. Erst 1975 fanden dann zunächst eine, 1976 schon wieder zwei Trauungen unter Mitwirkung beider Geistlicher statt. Um den ökumenischen Geist wenigstens ein bisschen zu beleben, verfielen die beiden Geistlichen ab 1977 auf eine gemeinsame Altpapier- und Altkleidersammelaktion zu Gunsten der beiden Kindergärten am Ort. Die ökumenische Arbeit bezog sich besonders ab 1980 schwerpunktmäßig auf die Jugend beider Konfessionen. Man besuchte ökumenische Jugendtreffen im ganzen Landkreis und organisierte selbst solche Veranstaltungen. Erstmals an Weihnachten 1983 konnte Pfarrer von Stackelberg verkünden: Herr Pfarrer Keseberg hat im Namen der katholischen Kirchengemeinde herzliche Segenswünsche an unsere Gemeinde übermittelt. Natürlich überbrachte der evangelische Geistliche entsprechende Wünsche zur 100. Wiederkehr der Erbauung der katholischen Kirche 1985. Zu den Feierlichkeiten anlässlich dieses Jubiläums war Jochen von Stackelberg selbstverständlich eingeladen und er nahm genauso selbstverständlich daran teil. 1984 zog die erste Vikarin in Weisendorf ein. Eine Frau als Priesterin! Das erweckte selbst bei den evangelischen Gläubigen zunächst noch sehr viel Skepsis. Vikarin Karin Hüttel war von Anfang an äußerst aktiv. Der ökumenische Geist wurde durch sie wieder so lebendig wie am Anfang der 1970er Jahre. Sie aktivierte neben dem ökumenischen Jugendkreis einen ökumenischen Frauenkreis, der sich sehr häufig, meist donnerstags, zu Vorträgen und Gebetsveranstaltungen traf. Auch nach Wegzug von Frau Hüttel blieb der ökumenische Frauenkreis der lebendige Ausdruck des Gedankens von der Gemeinsamkeit der Konfessionen. Die Lebendigkeit jenes Gedankens blieb in Weisendorf ohne Reduktion der Aktivitäten bis 1998 erhalten, als Pfarrer Jochen von Stackelberg in den Ruhestand trat. Pfarrer Adolf Keseberg blieb bis zu seinem Tode 1996 im Amt. Sein Nachfolger Pfarrer Herwig Gössl war von ganz anderer Denkweise, und als der evangelische Pfarrer Wilfried Lechner-Schmidt mit seiner Frau nach Weisendorf kam, wurde ökumenisches Denken endgültig zum pastoralen Leitstern für beide Priester und ihre Gemeinden.
Erlangen, den 12. Juli 2007
Dr. Josef Maier
Bilder auf der früheren Kanzel (bis ca. 1880)
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